Das Repair Café Stuttgart-Botnang hat den Autor Wolfgang M. Heckl eingeladen, um über die „Kultur der Reparatur“ zu reden. Ungefähr 50 Besucher kamen ins Bürgerhaus Botnang und hörten wie der ehemalige Generaldirektor des Deutschen Museums gut gelaunt das Thema von allen möglichen Perspektiven streifte. Der Abend hatte von allem etwas – Vorlesung in Biochemie, persönliche Anekdoten und kulturgeschichtliche Ausschweifungen – und war genau deswegen unterhaltsam, lehrreich und inspirierend.
Einige Prinzipien der Reparaturkultur hat er bereits 2013 in seinem selbstbezeichneten „Longseller“ dargelegt. Nämlich, dass Reparatur ein Naturprinzip ist, d.h. auch das organische Leben repariert sich fortwährend selbst. So hat auch der Mensch nie nicht repariert – nur dass es in den letzten Jahrzehnten beinahe ausgestorben sei. Daher beinhaltet Reparaturkultur auch die Erziehungsaufgabe, technisches Verständnis und Lösungskompetenzen zu vermitteln. Bei Repair Cafés kommen sogar noch soziale Kompetenzen hinzu. Heckl beschrieb auch treffend das Glück der Reparaturerfahrung. Alle, die jemals einen Gebrauchsgegenstand wieder funktionsfähig gemacht haben, wissen, welche Zufriedenheit das auslöst.
Natürlich müssen dafür die politischen Rahmenbedingungen gegeben sein. In kleinen Schritten geht es voran, das Recht auf Reparatur EU-weit umzusetzen. Die europäische Initiative Right to Repair hält die Öffentlichkeit auf dem Laufenden, welche Reparaturrechte die EU bisher umgesetzt hat, welche noch kommen sollen und welche noch fehlen. Eine komplizierte und langwierige Angelegenheit bei tausenden Produktkategorien und dem jahrzehntelang gelebten Prinzip der geplanten Obsoleszenz.
Zur Reparaturkultur gehören neben offenen Werkstätten, Repair Cafés und kommunalen Reparaturgutscheinen seit einigen Jahren auch Maker Spaces und Leihläden. 2019 startete in Stuttgart das Projekt teilbar, bei dem man in kleinerem Rahmen und nach Vereinbarung immer noch Dinge leihen kann. Zudem hat seit Juli diesen Jahres die Stadtbibliothek Stuttgart ebenfalls eine Bibliothek der Dinge aufgebaut. Zentral gelegen in der Rathauspassage kann man Nintendo Spielkonsolen, Staffeleien oder Töpferscheiben ausleihen.
Aber was hat denn Leihen mit Reparieren zu tun? Ganz einfach: wenn das nächste Mal der Staubsauger kaputt ist, einfach ein funktionierendes Gerät vom Nachbar oder der Bibliothek leihen und dann ist genug Zeit, um im nächsten Repair Café den eigenen Staubsauger wieder zum laufen zu bringen. Die Wohnung bleibt sauber und der Nebeneffekt ist, dass man Menschen besser kennenlernt und technisch was dazulernt.
Denn einen Gedanken gab Wolfgang M. Heckl den Besuchern bei seinem Vortrag mit auf den Weg: was können wir eigentlich noch, wenn wir wie Robinson Crusoe mit einigen Kisten Material auf einer einsamen Insel stranden?


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